Nachgefragt bei InCamS@BI: Transferveranstaltungen, Biokunststoffe und mehr – Interview mit Technologiescout Matthias Pieper
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Dr. Matthias Pieper ist Technologiescout im Transferprojekt InCamS@BI an der HSBI. Im sechsten Nachgefragt-Interview spricht der Chemiker über Biokunststoffe, seine Arbeit als Technologiescout und spannende Veranstaltungen.
In der Interviewreihe „Nachgefragt bei InCamS@BI“ erklären Kolleginnen und Kollegen aus dem Team, wie das Transferprojekt InCamS@BI funktioniert. Was haben Unternehmen und Studierende von einem Makeathon? Wieso sollte man an einem Barcamp teilnehmen? Wie organisiert man ein so großes Projekt? Fragen wie diese und viele mehr wollen wir hier im Gespräch beleuchten. Dieses Mal im Gespräch: Technologiescout Dr. Matthias Pieper aus der InCamS@BI-Forschungsgruppe Kunststofftechnik und Werkstoffprüfung.
Matthias, was macht den Job als TechScout für dich interessant?
Matthias Pieper: Am meisten begeistern mich der Austausch mit so vielen Unternehmen und die Einblicke, die ich zum Beispiel bei Unternehmensbesuchen von der Produktion und deren Arbeit gewinnen kann. In OWL gibt es gerade in der Kunststoffbranche viele spannende Firmen mit interessanten Fragestellungen. In unserem Projekt InCamS@BI findet sich meist für jedes Unternehmen ein kleines interdisziplinäres Team, das bereit ist, sich vor Ort zu treffen. Nur so können wir den Unternehmen einen ganzheitlichen wissenschaftlichen Blick auf ihre Herausforderungen bieten.
Mir macht auch die Arbeit in diesem facettenreichen Team viel Spaß – ich lerne so viel von anderen Disziplinen über ihre Themen, deren Grundlagen und die Arbeitsweise! Als Naturwissenschaftler habe ich einfach einen anderen Hintergrund und gehe Themen viel detaillierter an als beispielsweise unsere Innovationsmanager:innen, die sehr kreativ arbeiten, oder als die Ingenieur:innen, die sehr viel anwendungsbezogener denken. Auch unsere Wirtschaftspsycholog:innen und die Jurist:innen bringen immer interessante Perspektiven zu den Projekten ein, die zu selten mitgedacht werden.
Du arbeitest sowohl im Creative Lab als auch im Innovation Lab von InCamS@BI als Technologiescout – das heißt du generierst Ideen und entwickelst diese weiter zu Projektskizzen. Kannst du das mit einem Beispiel erklären?
Matthias Pieper: Gerne. Im vergangenen Jahr waren wir beispielsweise bei fast52, einem Bielefelder Textilhersteller. Im Gespräch mit dem Geschäftsführer entstand die Idee, dem Polyester mit einem lösungsmittelbasierten Recyclingprozess die Farbe zu entziehen. Die alten entfärbten Textilien werden so zum Grundstoff für neues farbloses, weißes Material, mit dem der Produktionsprozess wieder beginnen kann. Die Ideen dazu habe ich aufgeschrieben und mit dem Team besprochen. Anschließend ging die Idee offiziell ins Innovation Lab über, wo ich sie weiterverfolgen konnte. Ich war ein paar Tage im Chemielabor der Forschungsgruppe Analytik und Materialentwicklung, wo ich Experimente durchgeführt habe. Da ich selbst vor einigen Jahren in genau diesem Labor promoviert und entsprechend viel dort gearbeitet habe, hat mir das viel Spaß gemacht, noch einmal dorthin zurückzukehren. Das Beste ist: Ich konnte in den Versuchen zeigen, dass mein Ansatz funktioniert und ich die Farbe „herauswaschen“ kann. Jetzt gehen wir wieder mit fast52 ins Gespräch und schauen, ob sich daraus etwas Größeres machen lässt: ein gemeinsames Projekt oder eine andere Art der Kooperation.
Die Ideengenerierung findet im Creative Lab statt. Manchmal passiert das schon über Unternehmensbesuche, wie du sie eben beschrieben hast. Zur Grundidee gehört aber auch, das insbesondere über Veranstaltungen, sogenannte Transferformate, Kontakt zu Unternehmen in der Region entsteht und ihr miteinander ins Gespräch kommt. Was für Veranstaltungen habt ihr bisher organisiert oder besucht?
Matthias Pieper: InCamS@BI hat Expert Panels zu Kunststoffen, Innovationsmanagement und Circular Economy auf die Beine gestellt, aber auch Barcamps und Makeathons. Ich selbst habe an vielen dieser Veranstaltungen, die meine Kolleg:innen aus den unterschiedlichen Forschungsgruppen entwickelt haben, teilgenommen. Selbst organisiert habe ich zum Beispiel einige Events gemeinsam mit unserer Hochschulkommunikation: Dazu gehört die Science Bench, Messeauftritte auf der Hannover Messe oder der Kuteno und Schüler:innenworkshops. Auch Fachvorträge haben wir platzieren können, unter anderem beim VDI, zusammen mit der Wirtschaftsförderung oder bei Science After Work. Perspektivisch wollen wir gerne noch mehr Events mit der neu eröffneten Wissenswerkstadt in Bielefeld veranstalten.
Was war aus deiner Sicht die spannendste Veranstaltung, die du im Rahmen des Projekts organisiert hast?
Matthias Pieper: Am meisten gefallen hat mir die Science Bench, die wir beim Tag der offenen Tür der HSBI angeboten haben. Den ganzen Tag über war die Bank besetzt: Jeweils eine Stunde saß eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler da und hat mit allen, die sich dazu gesetzt haben, über etwas aus ihrem oder seinem Themenbereich gesprochen. Die jeweiligen Themen der Forscher:innen standen auf einem Flipchart daneben und fungierten als „Türöffner“ für das Gespräch. Die Grundregel lautet: keine Frage unser Besucher:innen ist „doof“, sondern alle sind wertvoll und können der Anfang einer neuen Idee sein.
Mein Thema war: „Kunststoffe – Problem oder Lösung?“. Dazu sind spannende Gespräche und Ideen entstanden – die Bank war selten leer. Wir haben das Format im vergangenen Jahr schon einmal losgelöst von einer großen Veranstaltung in der Bielefelder Fußgängerzone ausprobiert. Auch das hat geklappt, aber im Rahmen des Tags der offenen Tür können wir sagen: Es war ein voller Erfolg! Was ich auch toll fand, war ein Workshop für Schülerinnen und Schüler, den wir für den Tag der Bildung im Rahmen der KlimaWoche Bielefeld konzipiert haben. Bei solchen Veranstaltungen sehe ich einen großen Impact: Die jüngere Generation direkt zu treffen und zu motivieren, das spornt mich persönlich sehr an.
Was sind aus deiner Sicht Herausforderungen bei Aufeinandertreffen bzw. Dialogen zwischen „der Gesellschaft“ und „der Wissenschaft“?
Matthias Pieper: Mir ist es wichtig, dass die Wissenschaft aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm herauskommt. Wir müssen uns mit den Herausforderungen der Gesellschaft und der Wirtschaft beschäftigen und dabei anwendungsorientierte Lösungen finden. Also Ideen entwickeln, die tatsächliche Probleme lösen können und die auch wirklich umsetzbar sind. Dabei müssen diese natürlich aus ökologischer- und ökonomischer Sicht sinnvoll sein.
Für meine Fachrichtung – Chemie im Bereich Kunststofftechnik – ist der heutige Umgang mit Kunststoffen eine riesige Herausforderung. Ja, wir brauchen Kunststoffe und sie sind aus unserer Gesellschaft auch nicht mehr wegzudenken. Alleine in der Medizin sind sie unabdingbar und definitiv die richtige Lösung. Aber im Moment läuft es in den meisten anderen Bereichen leider noch so ab: Kunststoffe werden produziert, verarbeitet, die Produkte genutzt und dann von den Konsument:innen im Müll entsorgt. Am Ende werden sie größtenteils thermisch verwertet oder verbleiben in der Umwelt. Unser Ansatz: Wir müssen anfangen, Kunststoffe zirkulär zu denken und Produkte von Beginn an so designen, dass sie besser nutzbar, reparierbar, recycelbar sind.
Kannst du das näher erläutern? Als Mitglied der InCamS@BI-Forschungsgruppe Kunststofftechnik und Werkstoffprüfung beschäftigst du dich tagtäglich mit Kunststoffen. Wie lassen sich aus deiner Sicht Kunststoffe und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang bringen?
Matthias Pieper: Kunststoffe und Nachhaltigkeit passen gut zusammen! Ich habe es eben schon angedeutet: Circular Economy ist hier das richtige Stichwort. Wenn Produkte so designt sind, dass sie möglichst lange halten, können wir ihre vielen Vorteile (wie z.B. ihr geringes Gewicht), ihre Plastifizierbarkeit (also ihre Formbarkeit) und auch ihre Recycelbarkeit hervorragend ausspielen. Dafür sollten Produzenten jedoch alle Lebensphasen ihres Produkts in den Blick nehmen. Nutzer:innen könnten mehr abwägen, welche Produkte sie wirklich brauchen und dann die nachhaltigste Variante auswählen. Um noch einmal auf das Gewicht zurückzukommen: Kunststoffprodukte wiegen deutlich weniger als solche aus Metall, dadurch ist der Transport oft einfacher und spart CO2 ein.
Wie sieht es denn aus mit Biokunststoffen? Sind die nicht die nachhaltigste Lösung?
Matthias Pieper: Zunächst mal: Hier muss man ganz klar differenzieren! Sprechen wir von biobasierten Kunststoffen? Von biologisch abbaubaren Kunststoffen? Oder von solchen, die biobasiert und zugleich biologisch abbaubar sind? Denn alle drei Kategorien werden allgemein als „Biokunststoffe“ bezeichnet.
Solche, die biologisch abbaubar sind, sind oft gar nicht so nachhaltig, wie sie klingen. Denn sie sind zwar im Labor unter spezifischen Bedingungen super kompostierbar, aber das funktioniert im Alltag oft nicht. Deshalb dürfen „Bio-Kompostbeutel“, die biologisch abbaubar sind, häufig auch gar nicht in der Biotonne entsorgt werden. Bei den biobasierten Kunststoffen muss man auch darauf achten, welche Rohstoffe für die Basis genutzt werden. Wenn es solche sind, die wir auch als Nahrungsmittel nutzen wie Mais oder Zuckerrüben, kommen wir aus meiner Sicht in einen Gewissenskonflikt. Denn es würden zu große Flächen für die Kunststoffproduktion gebraucht, die dann in der Nahrungsmittelversorgung fehlen. Aus meiner Perspektive können sich langfristig nur biobasierte Kunststoffe durchsetzen, die aus „Abfallprodukten“ hergestellt werden können.
Vielen Dank für das Interview! (gs)
Zur Person: Dr. Matthias Pieper
Matthias Pieper hat Chemie an der Universität Bielefeld studiert und abschließend in der Arbeitsgruppe Industrial Organic Chemistry and Biotechnology promoviert. Anschließend war er an der Hochschule Hamm-Lippstadt in der Lehre für Chemie und Materialwissenschaften tätig. Seit 2023 ist Pieper Technologiescout in der InCamS@BI-Forschungsgruppe Kunststofftechnik und Werkstoffprüfung an der Hochschule Bielefeld.