Nachgefragt bei InCamS@BI: Wie funktioniert das Projekt? – Interview mit Dr. Melanie Wilde, Gesamtprojektleiterin InCamS@BI
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Im ersten Interview von InCamS@BI erklärt Gesamtprojektleiterin Dr. Melanie Wilde, wie ein so großes Projekt funktioniert, warum Transfer wichtig ist und was das interdisziplinäre Team 2023 alles erreicht hat.
In der Interviewreihe „Nachgefragt bei InCamS@BI“ erklären Kolleginnen und Kollegen aus dem Team, wie das Transferprojekt InCamS@BI funktioniert. Wofür ist ein Technology Check gut? Was ist ein Makeathon? Wie ist die interne Qualifizierungsreihe aufgebaut? Fragen wie diese und viele mehr wollen wir hier in Gesprächen beleuchten. Den Anfang macht Gesamtprojektleiterin Dr. Melanie Wilde.
Melanie, du bist Gesamtprojektleiterin von InCamS@BI. Im Zentrum des Projekts steht der immer wieder benannte Transfer. Was bedeutet das eigentlich: Transfer?
Melanie Wilde: Die Transferstrategie der HSBI definiert Transfer als dritte Dimension neben Lehre und Forschung. Wir als HSBI möchten gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus der Region, Unternehmen, Institutionen und der Zivilgesellschaft Ideen, Wissen und Technologien entwickeln und in der Praxis umsetzen. Für uns in InCamS@BI steht dabei besonders der Austausch im Vordergrund: Neue Impulse und Perspektiven erhält man nur, wenn man in einen Dialog auf Augenhöhe geht. So können wir als Forschende zum Beispiel viel besser verstehen, wo die Herausforderungen der Wirtschaft liegen, welche Ideen die Zivilgesellschaft hat und wo wir gemeinsam anpacken können – nur so können innovative Lösungen entstehen.
Das Projekt wird im Rahmen der „Innovativen Hochschule“ über fünf Jahre gefördert. Die Bewilligung ist ein großer Erfolg für die HSBI und die Universität. Wie läuft die Antragstellung für ein solches Großprojekt ab? Wie sieht so ein Antrag aus?
Innovation Campus for Sustainable Solutions
Das Projekt „Innovation Campus for Sustainable Solutions“, kurz InCamS@BI, gibt es jetzt schon seit fast einem Jahr. Es ist ein gemeinsames Transferprojekt der Hochschule Bielefeld (HSBI) und der Universität Bielefeld. InCamS@BI soll den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft mit innovativen Formaten und einem interdisziplinären Team gestalten. Dadurch werden forschungsbasierte Transferstrukturen systematisch aufgebaut und erprobt, um eine Blaupause für den Transfer an der HSBI zu entwickeln.
Melanie Wilde: Die Antragsstellung lief bereits 2021. 2022 hat die Hochschule die Zusage erhalten, dass InCamS@BI im Rahmen der Innovativen Hochschule gefördert wird und daraufhin mit einem Vorprojekt gestartet. Es wurden über 20 Stellen für das interdisziplinäre Forschungsprojekt ausgeschrieben, zum Beispiel für die Gesamtprojektleitung, für Technologiescouts, Referentinnen und Referenten sowie für den Bereich Kommunikation. Viele Stellen wurden bereits im ersten Quartal 2023 besetzt, so dass wir im April als Team fast vollständig waren.
Ein Forschungsantrag ist in der Regel so aufgebaut, dass zunächst die Ziele dargestellt werden und das ganze Projekt sowie die darin behandelten Fragestellungen beschrieben werden. Dafür wird so ein großes Vorhaben wie InCamS@BI in mehrere Teile untergliedert, in unserem Fall sind diese Teilvorhaben die „Hall of Innovation“, das „Creative Lab“ und das „Innovation Lab“. Darin sind Arbeitspakete beschrieben, zu denen es zeitliche Fristen mit Meilensteinen gibt. Auch die dazugehörigen Stellenprofile, das Gesamtbudget sowie dessen Untergliederung sind darin erläutert.
Und wie lässt sich der Antrag jetzt in die Praxis umsetzen?
Melanie Wilde Die im Antrag festgeschriebenen Arbeitspakete und Meilensteine sind einem Teilprojekt, einer Forschungsgruppe oder Stelle zugeordnet. In unserem Projekt verfolgen wir ein agiles Vorgehen: Das heißt die zuständige Person oder Forschungsgruppe innerhalb des Teilprojekts lädt in der Regel alle aus dem Projektteam zu einem Auftaktmeeting ein – wer Interesse am Thema hat, kann so die Gelegenheit nutzen, sich direkt zu beteiligen und seine beziehungsweise ihre Expertise einzubringen. Innerhalb dieses Meetings wird dann ein interdisziplinäres Team gegründet. Wir haben diese Gruppen intern „Entwicklungsteams“ genannt – weil sie gemeinsam eine Art Fahrplan oder ein Konzept entwickeln, wie das jeweilige Arbeitspaket konzipiert und umgesetzt werden kann. Dabei ist besonders wichtig, dass alle Mitarbeitenden die Möglichkeit bekommen, sich jederzeit in den verschiedenen Entwicklungsteams einzubringen. Denn unsere große Stärke innerhalb von InCamS@BI sind die Interdisziplinarität und die verschiedenen Perspektiven, die wir alle beisteuern können. Dies bringt jedoch auch verschiedene Herausforderungen mit sich. Wir greifen auf verschiedene Kommunikationsformate in Präsenz und digital zurück und nutzen zum Beispiel Videokonferenzen, Chats und E-Mails, um möglichst alle in unserem großen Team innerhalb unseres Arbeitsalltags zu erreichen. Darüber hinaus erproben wir verschiedene Austauschformate für unsere interdisziplinäre Zusammenarbeit.
InCamS@BI hat insgesamt 8,8 Millionen Euro für die Projektlaufzeit erhalten. Das meiste davon wird für Personal aufgewendet. Knapp 25 Personen wurden dafür eingestellt, einige in Voll- andere in Teilzeit. Es gibt verschiedene Rollen: Technologiescouts, Referentinnen und Referenten, Mentorinnen und Mentoren und natürlich die Projektleitung. Wie sind sie strukturiert und welche Aufgaben haben die einzelnen Funktionen?
Melanie Wilde: Das stimmt – unser Team ist groß. Zählt man alle beteiligten Köpfe, kommen wir auf über 50 Personen inklusive unserem Beirat und dem Managementboard. Die Struktur unseres Transferprojekts ist komplex. Auf inhaltlicher Projektebene sind wir sieben Forschungsgruppen, in denen es jeweils Mentorinnen und Mentoren gibt. Das sind Professor*innen der HSBI und der Universität Bielefeld, die am Antrag mitgewirkt haben und ihre fachliche Expertise einfließen lassen. Zu jeder Forschungsgruppe gehören dann die Mitarbeitenden, die eingestellt wurden und ebenfalls ihre fachliche Expertise einbringen. Diese sind wiederum im Teilvorhaben des Creative Labs und Innovation Labs verortet.
Zu den Funktionen: Wir haben Technologiescouts und Referent*innen in unseren Teilvorhaben. Technologiescouts sind Wissenschaftler*innen, die in den Laboren forschen, unsere inhaltlichen Arbeitspakete bearbeiten, Kontakte zu Unternehmen teils mit unseren Kooperationspartner*innen oder in Eigenregie aufbauen und mit ihrer Expertise die Verknüpfung zu unserem Projekt herstellen. Sie arbeiten gemeinsam mit den Unternehmen und ihren Mentor*innen Ideen zu Projektskizzen aus, die sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen weiterbearbeiten. Außerdem planen sie verschiedene Transferformate mit der Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft wie zum Beispiel Barcamps, Makeathons, Expertpanels, Demo Days und Science Benches, nehmen an Messen und Veranstaltungen teil und führen diese durch. Unsere Referent*innen aus der Wirtschaftspsychologie, dem Wirtschaftsrecht und Innovationsmanagement beschäftigen sich darüber hinaus unter anderem mit verhaltenswissenschaftlichen Fragestellungen, wirtschaftsrechtlichen Fragen im Kontext von Transfer und Innovationsentwicklungsprozessen sowie mit der methodischen Begleitung von InCamS@BI und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
Die Labs haben darüber hinaus beide eine Teilprojektleitung und jeweils eine Referentin. Sie haben den Überblick zu den aktuellen Ständen ihrer zugeordneten Arbeitspakete und Entwicklungsteams und sind zugleich Schnittstelle zwischen der Leitungsebene und dem Team der Mitarbeitenden. Weiter beheimatet die eingangs benannte Hall of Innovation unser Team Kommunikation, welches InCamS@BI mit seiner Expertise in der Transferkommunikation und dem Veranstaltungsmanagement stärkt und die interne und externe Kommunikation übernimmt. Meine Referentin und ich koordinieren unter anderem das Gesamtprojekt, überblicken das Gesamtbudget, übernehmen das Monitoring des Projektfortschritts sowie Berichtspflichten gegenüber dem Mittelgeber und die umfassende begleitende Evaluation der Strukturen, Prozesse und Ergebnisse des Projekts. Darüber hinaus sind wir Schnittstelle zu weiteren hochschulinternen Vertreter*innen und gehen in den Dialog zu Transferformaten mit anderen Hochschulen, Unternehmen, Verbünden etc.
Welche weiteren Instanzen gibt es im Projekt?
Melanie Wilde: Unterstützt wird das Projekt InCamS@BI darüber hinaus von einem Beirat mit Vertreter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Letzterer hat die Funktion, InCamS@BI zu beraten und Bedarfe sowie Anforderungen der verschiedenen Stakeholder aus Wissenschaft und Wirtschaft im Projekt einzuspielen. Dazu gibt es noch ein weiteres Gremium, welches weniger mit dem Tagesgeschäft und mehr mit der Steuerung des Projekts betraut ist. In regelmäßigen Abständen trifft sich das Managementboard, das sowohl beratende, entscheidende als auch genehmigende Funktionen erfüllt. Hier liegt die Verantwortung für das Projekt, es hat einen Überblick über die langfristige Planung und Priorisierung der Themen.
Was motiviert dich persönlich, dich so in InCamS@BI zu engagieren?
Melanie Wilde: InCamS@BI behandelt ein Thema von zentraler gesellschaftlicher Relevanz, das auch für mich privat ein großes Herzensthema ist. Darüber hinaus ist unser Projekt interdisziplinär ausgerichtet und viele verschiedene Persönlichkeiten arbeiten darin. Es bereitet mir große Freude, mit den engagierten und qualifizierten Kolleg*innen zusammenzuarbeiten und damit zugleich einen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit zu leisten.
Was hat InCamS@BI bis jetzt geschafft?
Melanie Wilde: Aus meiner Sicht blicken wir auf ein gutes erstes Projektjahr zurück. Wir haben wie beschrieben verschiedene Entwicklungsteams gegründet und ganz unterschiedliche Prozesse etabliert: Dabei sind Konzepte für die Toolboxen und unsere Veranstaltungsformate entstanden, wir haben ein Projektmanagementtool entlehnt an einem komplexen Arbeitspaket unseres Projektes aufgebaut und uns auch mit Themen wie Datenschutz und Schutzrechten auseinandergesetzt. Darüber hinaus haben wir die Qualifizierungsreihe für unser Projektteam konzeptualisiert und sind seit Sommer in der Umsetzung. Weiter hat ein Team den sogenannten Technology Check entwickelt und mit ersten Unternehmen getestet.
„Die Events von InCamS@BI wurden sehr gut angenommen – das war immer eine tolle Arbeit des Teams!“
Dr. Melanie Wilde, Gesamtprojektleitung
Besonders schön: Unsere ersten Veranstaltungen mit der Wirtschaft aber auch mit der Gesellschaft. Für Bürger*innen haben wir eine Science Bench zum Thema „Lasst uns über Plastik reden!“ veranstaltet und mit Studierenden einen Makeathon. Mit Unternehmen gab es verschiedene Expert Panels, in denen Unternehmensvertreter*innen mit Wissenschaftler*innen zu Herausforderungen der zirkulären Wertschöpfung diskutieren und auch ein Barcamp zu Circular Design haben wir schon umgesetzt. Die Events wurden sehr gut angenommen – das war immer eine tolle Arbeit des Teams! Darüber hinaus sind wir selbst bei vielen weiteren Transferakteur*innen unserer Region zu Gast gewesen, haben Inputs auf Konferenzen gegeben und an Branchen- und Netzwerktreffen teilgenommen, um uns auszutauschen und zu vernetzen. Schlussendlich hat unser unser Kommunikationsteam zur Bekanntheit von InCamS@BI beigetragen, Pressemitteilungen verfasst, unsere Homepage mit Leben gefüllt und eine Posterausstellung im Kontext unseres Demo Days organisiert, bei dem das Impro-Theater die Stereotypen zu Gast war.
Gibt es schon Pläne, wie es weitergeht?
Melanie Wilde: Auf jeden Fall: Wir evaluieren prozessbegleitend unsere Arbeit. Einige Veranstaltungsformate beispielweise haben schon sehr gut funktioniert, die möchten wir im kommenden Jahr weiter ausbauen, aber auch neue Formate testen und mit anderen Transferakteur*innen gemeinsam Veranstaltungen ausrichten. Unsere Unternehmenskontakte wollen wir intensivieren und mehr Projektskizzen entwickeln. Darüber hinaus sind die Toolboxen beispielsweise noch in der Planung, hier wird es nächstes Jahr konkreter. Da warten noch viele Herausforderungen auf uns, ich freue mich jedoch schon jetzt auf das zweite Jahr InCamS@BI!
Vielen Dank für das Interview! (gs)
Zur Person: Dr. Melanie Wilde
Dr. Melanie Wilde hat Soziologie mit technik- und medienwissenschaftlicher Ausrichtung an der Universität Bielefeld studiert und zum Thema „How to change a running system – Infrastrukturinnovationen im Internet“ promoviert. Wilde ist bereits seit 2009 in der Wissenschaft tätig: Sie war Promotionsstipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und des Rektorats der Universität Bielefeld. Seit 2012 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin und den Universitäten Paderborn und Bielefeld in diversen Projekten tätig, die unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der DFG, dem Land Nordrhein-Westfalen gefördert wurden. Ihre Schwerpunkte sind strategische Prozessen an Hochschulen, sowie Virtual Reality-Technologien in Gesundheitsberufen und Maschinenbau. Wilde hat unter anderem Qualitätssicherungs- und Innovationsmanagementprozesse an Hochschulen etabliert. Seit Sommer 2023 leitet sie das Projekt „InCamS@BI - Innovation Campus for Sustainable Solutions“ an der Hochschule Bielefeld (HSBI). InCamS@BI ist ein Transferprojekt der HSBI und der Universität Bielefeld und im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ gefördert.