Am frühen Dienstagmorgen fahren zwei Busse auf dem Campus Gütersloh ein. 96 Schülerinnen und Schüler der Qualifizierungsphase des Gymnasiums Nepomucenum Rietberg (GNR) möchten ihrer Studien- und Berufswahl einen Schritt näherkommen. „Wir haben uns bereits die Universität Bielefeld angeschaut. Da meine Interessen sehr vielseitig sind, helfen mir die Angebote der Berufsfelderkundung besser sondieren zu können. Ich bin gespannt, was uns heute an der Fachhochschule Bielefeld erwartet“, verrät die 17-jährige Schülerin Selin. Ein buntes Programm aus Schnuppervorlesungen und neigungsbasierten Workshops, lautet die Antwort von Veranstaltungsorganisatorin Vanessa Prott-Warner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Campus Gütersloh.
Schnuppervorlesungen nach Interesse „Top Marketing-Hacks, auf die du bestimmt auch schon reingefallen bist oder noch reinfallen wirst!“. Hinter dieser etwas provokanten Überschrift verbarg sich die Schnuppervorlesung von Prof. Adam-Alexander Manowicz. Der Studiengangsleiter des praxisintegrierten Bachelorstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen vermittelte den Gästen der FH eindrucksvoll, wie unser Gehirn Entscheidungen trifft und wie man diese Erkenntnisse im Marketing nutzen kann. Dass der Begriff Vorlesung nicht ganz treffend ist, zeigte sich schnell: „Wir sprechen miteinander“, so Manowicz. Der Vorteil kleiner Studiengruppen und der direkte Austausch zeigte sich nicht nur in der Marketingvorlesung.
Ein lockerer Einstieg ins maschinelle Lernen gelang Prof. Stefan Berlik. Nach Vorlesungsbeginn dauerte es nicht lange, bis sich ein sehr anschauliches neuronales Netz aus Schülerinnen und Schülern aufgebaut hatte. Einige saßen auf Stühlen oder dem Fußboden. Wieder andere standen, alle verbunden durch ein Seil. Auf diesem Seil flutschten Informationen in Form von Pappbechern hin und her. Nach und nach entstand ein verworrenes Netz, was bei den Gästen sichtlich für Spaß sorgte. „Ich freue mich, dass es mir gelungen ist darzustellen, wie intuitiv neuronale Netze sind“, äußerte Berlik mit einem Augenzwinkern, bevor er anhand dieses praktischen Beispiels erläuterte, wie sich künstliche Intelligenz weiterentwickelt.
Den Einblick in eine echte Matheübung aus dem praxisintegrierten Studium gab Dr. Sabrina Proß: „Da Mathematik Bestandteil von nahezu allen Studiengängen ist, ist es aus meiner Sicht sehr wichtig zu erfahren, was einen hier erwartet“. Aus diesem Grund ließ sie die mathematikaffine Gruppe auch gleich losrechnen und machte deutlich, dass Mathe kein Problem sein muss. Der Campus Gütersloh bietet vor Studienbeginn Mathe-Vorkurse an.
Studienmodell mit vielen Vorteilen „Studieren und gleichzeitig praktische Erfahrungen im Beruf sammeln? Geld verdienen und sich somit seine Studienfinanzierung sichern? Das geht beim praxisintegrierten Studium. In diesem Modell, das die FH Bielefeld hier am Campus Gütersloh anbietet, wird die praktische Arbeit im Betrieb mit einem Hochschulstudium kombiniert. Zugelassen wird, wer für die gesamte Studiendauer einen Vertrag mit einem Unternehmen abgeschlossen hat. Das Studium dauert sieben Semester und besteht aus abwechselnden Theorie- und Praxisphasen. Die Theoriephasen finden in kleinen Gruppen über einen Zeitraum von jeweils 12 Wochen statt“, erklärt Prott-Warner. Um das Campusleben in Gänze kennenzulernen, durfte eine Pause im Aufenthaltsraum am Campus nicht fehlen. Ob in der Lounge, am Stehtisch oder dem Fußballkicker, die Schülergruppe zeigte sich begeistert von den Angeboten zwischen den Vorlesungen.
Neigungsbasierte Workshops
Bereits im Vorfeld hatten sich die Schülerinnen und Schüler für einen der vier angebotenen Workshops eingetragen. „Wer fährt sein Unternehmen an die Wand und wer führt es zum Erfolg?“ Im Planspiel TOPSIM übernehmen die Workshopteilnehmerinnen und Teilnehmer ein fiktives Unternehmen. Ziel ist dabei mit seinem Team die richtigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen und dabei spielerisch die komplexen betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen in Unternehmen kennen zu lernen. „Ihre Aufgabe ist es die nächste Geschäftsperiode zu planen. Dabei geht es neben der Planung von Preis- und Produktpolitik beispielsweise auch um den klugen Einsatz von Marketingmaßnahmen“, erklärt Ulrike Franke, Lehrkraft für besondere Aufgaben am Campus GT, die der studieninteressierten Gruppe die Software des Planspiels näherbrachte. „Das Ergebnis zeigt, dass die Wirkzusammenhänge schwer zu überschauen sind, selbst für Profis. In Wahrheit gibt es nicht die eine richtige Berechnung oder den idealen Weg. Es gibt immer wechselnde Rahmenbedingungen und unkalkulierbare Unschärfen, die kein Unternehmen im Griff haben kann“, so Franke weiter. Das in einem Wettbewerb aufzuzeigen, machte den 7 Gruppen großen Spaß und führte zu der ein oder anderen Überraschung.
Dr. Rebecca Goebel vom Schüler*innenlabor experiMINT diGiTal am Campus Gütersloh gab unter der Überschrift „Smart Home“ Einblick in die Welt der vernetzten Geräte. Zur Veranschaulichung hatte jede Schülergruppe ein komplett ausgestattetes Modellhaus sowie einen Laptop zur Verfügung. Mit einem Microcontroller, verschiedenen Lampen und Sensoren konnten die Workshopteilnehmerinnen und Teilnehmer ein intelligentes Beleuchtungssystem und Lösungen zur Energieeinsparung entwickeln. Eine Einführung in die Konstruktion des 3D-Drucks gab Maik Lauterbach, Professor im Studiengang Mechatronik/Automatisierung Dabei konnten die Gäste ihre eigene Konstruktion mit der browserbasierten Software Tinkercard entwickeln. „Damit man am Ende auch das eigene Ergebnis in der Hand hat, werden wir die Druckerzeugnisse der Schule im Nachgang zukommen lassen“, verspricht Lauterbach.
Im vierten Workshopangebot brachte Vanessa Prott-Warner mit ihrer informatikinteressierten Gruppe die Laufbänder in Bewegung. Mit Hilfe der Software FLUIDSim konnte die Simulation und auch die anschließende Inbetriebnahme aller Sensoren eines Laufbandes zur Sortierung von Bauteilen durchgeführt werden. „Es ist klasse zu erleben, wie man nach der richtigen Programmierung am Rechner das Band tatsächlich zum Laufen bringt“, freut sich eine der Gruppen, in der sich die interessierten Mädchen zusammengefunden haben. „Im Grunde zeigt dieser Workshop im Kleinen die Fernwartung großer Anlagen über Ländergrenzen hinweg und somit eine der modernsten Arbeitsformen in Unternehmen“, fasst es die Workshopleiterin zusammen.
Gewinn an Perspektiven Am Abschluss des Tages erfuhr man von nahezu allen Schülerinnen und Schülern, dass so ein Studieninformationstag ein Gewinn an Erkenntnissen und Perspektiven sei. Während Laureen in ihrem Wunsch, Journalistin zu werden, gefestigt ist, Mia in ihrer Überzeugung ‚Technik ist nicht für mich‘ bestärkt wurde, ist Robin sicher: „Mein Praktikum bei Claas war bereits eine sehr gute Erfahrung für mich. Mein Wunsch in die technische Richtung zu gehen hat sich dadurch bestätigt. Nachdem ich heute erfahren habe, dass ich die Arbeit beispielsweise bei Class mit einem Studium koppeln kann, werde ich mich auf jeden Fall näher informieren. Ein praxisintegriertes Studium ist auf eine neugewonnene Option“.
„Unser Lehrplan lässt leider keinen Raum für dermaßen aktuelle und zukunftsorientierte Fragestellungen, wie wir sie hier vorfinden. Ich finde es super, dass unsere Schüler auf diese Weise erfahren, wie Industrie 4.0 in der Praxis aussieht“, so Informatiklehrer Andre Middeke. “Wir werden auf jeden Fall im nächsten Jahr wiederkommen.“ Seine Kollegin Lisa Meier ergänzt: „Ein aufregender Tag für uns alle. Nicht nur unsere Schülerinnen und Schüler haben einen authentischen Einblick in die Vielfalt der modernen Studiengänge bekommen, von denen man im Schulalltag sonst wenig erfährt. Danke an das Team des Campus Gütersloh!“. (th)
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