Forschungsprojekt ENVIRON erhält 1,1 Millionen Euro Förderung vom Bund
Bielefeld/Minden (fhb). In Deutschland entfallen etwa 26 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs auf die privaten Haushalte. Zwei Drittel dieser Energie wird allein für das Heizen verbraucht. Nicht nur durch die energetische Sanierung von Gebäuden, sondern auch durch den Einsatz zusätzlicher Technologie kann hier noch weitere Energie eingespart werden. Solch eine Technologie wird nun in dem Forschungsprojekt ENVIRON entwickelt. In dem interdisziplinären Projekt der Fachhochschule (FH) Bielefeld kooperieren Forschende der FH aus den Bereichen Psychologie und Informatik mit Forschenden der Universität Bielefeld, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie mit Partnern aus dem Bielefelder Stadtteil Sennestadt.
„Ausgehend von einer umfassenden Verhaltensanalyse werden beim Projekt ENVIRON mithilfe von modernen Informationstechnologien Interventionsmöglichkeiten entwickelt, um so Menschen wirksamer zum Energiesparen zu motivieren“, erklärt Professor Dr. Sebastian Bamberg von der FH Bielefeld. Der Professor für Sozialpsychologie und Methodenlehre des Fachbereichs Sozialwesen leitet das Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit gut 1,1 Millionen Euro gefördert wird.
Die Forschenden gehen in dem ENVIRON-Projekt der Frage nach, inwiefern das Phänomen vermieden werden kann, dass, wenn Bewohnerinnen und Bewohner in einem energetisch sanierten Gebäude leben, trotzdem aber ihr Energieverbrauch nicht rückgängig ist. Dieses Phänomen wird auch als „Rebound-Effekt“ beschrieben: Es wird weniger auf energiesparendes Verhalten geachtet, da ja nun ohnehin das Gebäude energieeffizient saniert ist.
Projekt im Bielefelder Stadtteil Sennestadt
Um das Interventionssystem zu entwickeln, erheben die Forschenden sowohl quantitative als auch qualitative Daten in Form von Interviews: Die Bewohnerinnen und Bewohner in dem Bielefelder Stadtteil werden zu ihrem (Heiz)-Verhalten und Wohlbefinden befragt. Eine Schlüsselrolle nimmt hier die Sennestadt GmbH und das „Büro für soziale Architektur“ (alberts.architekten BDA) wahr, da sie die Forschenden mit den Bewohnerinnen und Bewohnern vor Ort zusammenbringt.
Die weitere Grundlage sind objektive Messdaten aus den Wohnungen. Aufbauend auf den Ergebnissen des Forschungsschwerpunktes IFE (Interdisziplinäre Forschung für dezentrale, nachhaltige und sichere Energiekonzepte) der FH Bielefeld werden mithilfe kleiner Minicomputer und den entsprechenden Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt Daten zum Raumklima gesammelt. „Die Hardware wurde von uns bewusst so konzipiert, dass sie besonders kostengünstig und damit perspektivisch in der Masse eingesetzt werden kann“, beschreibt Professorin Dr.-Ing. Grit Behrens von der FH Bielefeld. Die Professorin für Angewandte Informatik am Campus Minden kann durch den Forschungsschwerpunkt IFE bereits auf einem bestehenden Datensatz – ebenfalls aus Wohnungen in Sennestadt – für das ENVIRON-Projekt aufbauen. Viele weitere Daten sind aber noch vonnöten, damit die KI-Algorithmen weiter trainiert werden können, also sogenanntes „Machine Learning“ stattfinden kann. Sie sollen schlussendlich Auskunft über das Lüftungs- und Heizverhalten der Bewohnerinnen und Bewohner geben: Ist ein Fenster geöffnet? Läuft die Heizung auf der höchsten Stufe?
Virtueller Agent als Interventionssystem
Gemeinsam mit Professor Dr.-Ing. Franz Kummert vom CITEC der Universität Bielefeld analysiert das Team des Campus Minden die objektiven Messdaten, erarbeitet Schnittstellen, um das Interventionssystem zu entwickeln. Hierfür nutzen die Informatikerinnen und Informatiker den am CITEC entwickelten virtuellen Agenten „Floka“. Das Ziel ist, dass über den virtuellen Agenten auf einem Tablet den Bewohnerinnen und Bewohnern ein Feedback zu ihrem Lüftungs- und Heizverhalten gegeben wird. Um diesen Agenten an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anzupassen, werden die Befragungsergebnisse der beteiligten Psychologinnen und Psychologen herangezogen.
ENVIRON steht für „Entwicklung und Evaluation einer Intervention zur Vermeidung von durch energetische Sanierung ausgelösten Rebound-Effekten“. Die Fördermaßnahme wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gestellt und ist in das Rahmenprogramm "Forschung für Nachhaltige Entwicklung" (FONA) eingebunden und Teil der Forschungsagenda „Green Economy“ der Bundesregierung. Begleitet werden die Maßnahmen vom „DLR Projektträger“.