Campus Minden: FH-Studierende wollen Schüler*innen Lust machen auf Ingenieurwissenschaften
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Wie spannend die Ingenieursarbeit sein kann, zeigten Studierende der Fachhochschule (FH) Bielefeld am Campus Minden: Sie konzipierten ein Praktikum speziell für Schüler*innen, in dem diese ein ferngesteuertes Auto entwickeln und ganz nebenbei die verschiedenen Tätigkeiten in Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen kennenlernen.
Minden (fhb). Konzentrierte Stille im Audimax am Campus Minden der FH Bielefeld. Zuhörerinnen und Zuhörer lauschen den Ausführungen einer Gruppe Studierender, die ein Ergebnis ihres Projekts präsentieren. Ein kleines, selbstgebautes Auto, etwas unscheinbar und recht kantig im Design, steht auf dem Fußboden. Plötzlich setzt sich das Vehikel von selbst in Bewegung! Ein Raunen geht durch die Reihen. Und – das Raunen wird lauter – das Auto macht sogar die Scheinwerfer an.
Projekt Angewandte Wissenschaft
Das kleine Fahrzeug stand im Mittelpunkt des Projekts Angewandte Wissenschaft (PAW) „Aufbau eines Schülerprojekts: Entwicklung und Bau eines ferngesteuerten Autos”. PAWs sind fester Bestandteil der praxisintegrierten Bachelorstudiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen am Campus Minden, in denen die Studierenden zugleich bei Unternehmen beschäftigt sind und abwechselnd Theoriephasen an der FH und Praxisphasen im Betrieb absolvieren. PAWs werden hier im 6. Semester durchgeführt. „Dann haben die Studierenden das in den Lehrveranstaltungen vermittelte Wissen noch frisch im Kopf, können es eigenverantwortlich auf praxisnahe Aufgabenstellungen anwenden und auch handwerklich umsetzen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Vanessa Uhlig-Andrae, die am Campus Minden zuständig für das Lehrgebiet Fertigungstechnik ist und den praxisintegrierten Bachelorstudiengang Maschinenbau leitet. „Auch die inzwischen gesammelte Erfahrung in den Unternehmen hilft den Studierenden. Sie sind dann oft bereits in der Bedienung von Maschinen und in der praktischen Herstellung geübt“, so Uhlig-Andrae weiter, die sich für die Betreuung des PAWs Prof. Dr. Philip Wette mit an Bord holte, der am Campus Minden das Lehrgebiet Ingenieurinformatik vertritt.
Schülerinnen und Schüler neugierig machen – dem Fachkräftemangel begegnen
Ausgangspunkt für die diesjährige Aufgabenstellung war der Fachkräftemangel in den Berufen des Ingenieurwesens. Die beiden Professoren fragten sich, wie junge Leute für ein Studium in diesem Bereich begeistert werden können: „Wer sollte das besser wissen, als junge Leute, die sich genau dafür entschieden haben? Warum also nicht die Studierenden ein Projekt oder Praktikum für Schüler*innen entwickeln lassen, in dem diese erfahren können, was es bedeutet, Ingenieurin oder Ingenieur zu sein?”, erläutert Uhlig-Andrae Idee und Ziel des PAW.
Fehlte noch ein spannendes Produkt, das die Schüler*innen tatsächlich selbst entwickeln und herstellen können. Die Idee: ein ferngesteuertes Auto! „Als elektro-mechanisches Produkt, das unter wirtschaftlichen Aspekten produziert werden soll, ist ein ferngesteuertes Fahrzeug ein gutes Beispiel dafür, dass es für die Ingenieursarbeit Kompetenzen sehr unterschiedlicher Bereiche braucht“, erklärt Philip Wette. „Und es ist ein echtes Erfolgserlebnis, wenn ein selbstgebautes Auto tatsächlich ferngesteuert losfährt.“ Der Informatiker Wette ist Experte für autonomes Fahren und hat früher bei Bosch genau in diesem Feld gearbeitet.
Der Campus Minden erweitert damit das Angebot für Schüler*innenpraktika
Um sicherzugehen, dass sich das konzipierte Praktikum auch realisieren lässt, probierten die Studierenden zunächst selbst aus, ob und wie sich ein solches ferngesteuertes Auto tatsächlich selbst entwickeln und herstellen lässt. In einem zweiten Schritt soll das inzwischen erprobte Konzept Schülerinnen und Schülern angeboten werden. Zurzeit laufen die Sondierungen, mit welchen Schulen aus der Region der Campus Minden hier kooperieren möchte. Idealerweise werden die ersten Schüler*innenpraktika noch in diesem Jahr durchgeführt.
Die Studierenden, die das Konzept erarbeiten sollten, waren völlig frei. „Wir haben sozusagen im Kleinen ein komplexes Projekt abgebildet und eine Auftragsentwicklung simuliert. Wir Lehrenden waren die Auftraggeber, die Studierenden die Produktentwickler“, sagt Uhlig-Andrae. Entsprechend mussten die Studierenden selbst die Aufgaben definieren, an verschiedene Teams verteilen und lösen. 16 Studierende aus allen drei praxisintegrierten Mindener Studiengängen machten mit.
Projektleiter als Vermittler zwischen den Disziplinen
Als erstes wählten sie Marius Schröder zum Projektleiter und schufen damit eine zentrale Position. „Die Abstimmung mit vielen Leuten aus unterschiedlichen Disziplinen war eine Herausforderung“, erzählt der Maschinenbau-Student. Aber unbedingt nötig, schließlich wurden alle Kompetenzen für den Autobau gebraucht. „Die größte Schwierigkeit war, dass die Entwicklung der einzelnen Komponenten abhängig voneinander war und exakt aufeinander abgestimmt werden musste.“ Schröder nennt ein Beispiel: „Die Elektrotechniker waren für die Entwicklung des Antriebs angewiesen auf den Raddurchmesser, dessen optimale Maße wiederum die Maschinenbauer bestimmen mussten. Und alles musste maßstabsgerecht sein.“
Filme der Studierenden sollen den Schüler*innen bei ihrem Praktikum helfen
Zeitgleich dokumentierten die Studierenden den gesamten Entwicklungsprozess und erläuterten die Methodik und Zwischenergebnisse auch in kleinen Erklärfilmen. So konzipierten sie parallel das Praktikum für die Schüler*innen. Dabei gab es auch Wechselwirkungen: Die Grundplatte des Autos etwa wurde gefräst und nicht auf die einfachere Weise per 3-D-Druck hergestellt. „Fräsen ist eine wichtige Tätigkeit im Maschinenbau, die sollten die Schüler*innen auf jeden Fall kennenlernen“, erläutert Maschinenbau-Student Daniel Friese. Prof. Dr.-Ing. Uhlig-Andrae ergänzt: „Die Studierenden mussten in die Rolle der Lehrenden schlüpfen und überlegen, welche Kenntnisse sie voraussetzen können, welche Aufgaben für die Schüler*innen spannend sind und was Spaß macht.“
Lösung selbst erarbeitet
Was Spaß macht, mussten die Studierenden nicht lange überlegen: Neben der fachlichen Arbeit war auch die interdisziplinäre Teamarbeit eine tolle Erfahrung. Diese und die Auftragsentwicklung kannten sie zwar bereits aus ihren Betrieben. An der FH gab es aber einen entscheidenden Unterschied: „Im Betrieb ist immer jemand, der viel mehr weiß, der sagt, wie es geht. Hier waren wir alle auf einem Stand und konnten die Lösung ganz eigenständig selbst erarbeiten“, sagt Daniel Friese. Entsprechend groß war die Freude, als sich das Auto erstmals tatsächlich in Bewegung setzte: Ein echtes Erfolgserlebnis! Die Schüler*innen können kommen.
Praxisintegrierte Bachelorstudiengänge am Campus Minden