»Der große Vorzug der Visuellen Kultur als Konzept besteht darin, dass sie ihrer Tendenz nach eine Undisziplin ist; sie benennt eher eine Problematik, als einen klar definierten theoretischen Gegenstand« (Mitchell, W.J.T.: Bildtheorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2008. S. 268.).
Fotografische Bilder haben sich als integrale Bestandteile unserer Lebenswelt etabliert. Sie sind Teil der Unterhaltungskultur, Werkzeug der Wissensproduktion und Wissensvermittlung sowie Instrument und Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Die reflexive Auseinandersetzung mit Fotografie, fotografischen Bildwelten und Bildkulturen bildet seit jeher einen Schwerpunkt der konzeptionell-gestalterischen Fotopraxis und der sich daraus ableitenden Fototheorie. Etablierte Ansätze der Bilddeutung und Bildkritik werden dabei ebenso einbezogen wie neuere bildwissenschaftliche Positionen. Die Sozial- und Geschichtswissenschaften beteiligen sich unter Einfluss des Visual Turn als Visual Sociology und Visual History mittlerweile ebenfalls verstärkt an Fragestellungen und Diskursen zu fotografischen Bildern. Ihre theoretischen und empirischen Ansätze bieten dabei innovative Sichtweisen auf Fotografie als soziokulturelles Phänomen und soziale Praxis. Als neue Zugänge zur fotografischen Bildkultur erweitern sie das Spektrum der Fototheorie mit produktiven Auswirkungen auch für die konzeptionellgestalterische Fotopraxis.
Das Symposium zur These der ‹Undisziplin› fotografischer Bilder möchte den Dialog zwischen Fototheorie und Fotopraxis nicht nur interdisziplinär weiterdenken, sondern diesen gezielt durch sozial- und geschichtswissenschaftliche Ansätze der Bildforschung neu akzentuieren. Die Nicht-Zugehörigkeit von Fotografien zu nur einer Disziplin meint dabei, sie als dialogisch wirkende Strukturen zu verstehen, um einen gemeinsamen Denkraum zu eröffnen. Inhaltlicher Schwerpunkt des Symposiums soll u.a. sein, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bewertung fotografischer Bilder im interdisziplinären Dialog auszutauschen; ihre Bedeutung und Interpretation bei der »Beschreibung des sozialen Feldes des Blicks (…), der Konstruktion von Subjektivität, Identität, Begehren, Gedächtnis und Einbildungskraft « zu bestimmen und das Verhältnis von Bilderkenntnis vs. Bildautonomie bzw. Wissensorganisation vs. Magie des Bildes zu diskutieren. Ziel des Symposiums ist es, neue Perspektiven für die konzeptionell-gestalterische Fotopraxis als Teil empirischer Bildwissenschaft aufzuzeigen und im interdisziplinären Dialog mit sozial- und geschichtswissenschaftlichen Disziplinen zu gemeinsamen und innovativen Forschungsansätzen zu gelangen.
Bielefeld, im September 2009 Martin Roman Deppner und Thomas Abel