Transurbane Möglichkeiten: FH-Studierende setzen sich gestalterisch mit den Rochdale Barracks auseinander
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Gemeinsam erarbeiten die Studierenden aus Fotografie, Digital Media und Architektur interdisziplinär Ideen für das Gelände. Damit sind sie Teil des umfassenden Projekts TRANSURBAN residency, das die Stadt Bielefeld zusammen mit dem Kölner Kunstverein ComeTogether auf dem Gelände initiiert.
Bielefeld/Minden (fhb). Die Briten sind seit 2019 raus, etwas Neues ist noch nicht drin: Die Umgestaltung der ehemaligen Rochdale-Kasernen an der Oldentruper Straße zu einem neuen städtischen Quartier ist noch in der Planungsphase. Diesen Freiraum nutzen Studierende der Fachhochschule (FH) Bielefeld und setzen sich im Sommersemester gestalterisch mit Mitteln der Fotografie, Digital Media und Architektur mit den leerstehenden Gebäuden und dem Gelände auseinander. Damit sind sie Teil des umfassenden Projekts TRANSURBAN residency, das die Stadt Bielefeld zusammen mit dem Kölner Kunstverein ComeTogether auf dem Gelände initiiert. Jetzt konnten die Studierenden erstmals das Areal bei einer Ortsbegehung erkunden.
Es scheint nicht ungefährlich zu sein. Wer das Gelände der ehemaligen britischen Rochdale-Kasernen an der Oldentruper Straße betreten möchte, muss eine Freistellungserklärung unterschreiben und den Eigentümer (derzeit noch der Bund) von der Haftung entbinden, sollte jemand zu Schaden kommen durch herunterfallende Dachziegel, Äste oder liegengebliebene Munition. Rund 70 Studierende der FH Bielefeld aus den Fachbereichen Gestaltung und Campus Minden hat das nicht abgeschreckt, sie kamen jetzt zum Auftakt des Sommersemesters auf das Areal, mit dem und auf dem sie in den kommenden Monaten spannende Studien- und Abschlussarbeiten realisieren werden.
Künstlerisch und wissenschaftlich forschen in der TRANSURBAN residency
Den Rahmen dafür schafft TRANSURBAN, NRW-weite Plattform für urbane Kunst, die in diesem Jahr mit ihrem Projekt Transurban residency Quartier auf dem ehemaligen Kasernengelände bezieht und es verschiedenen Akteuren zugänglich macht. „Stadt, das sind nicht nur Gebäude, sondern auch das Leben in und zwischen ihnen. Wir wollen die Fragen, wie Stadt eigentlich funktioniert oder funktionieren sollte, künstlerisch verhandeln und auch mit wissenschaftlichen Mitteln die Möglichkeiten erforschen, die die Rochdale Barracks für die künftige Nutzung bieten“, erklärt Georg Barringhaus vom Kölner Kunstverein ComeTogether und Kopf der Transurban residency.
Forschungsphase mit Studierenden von den Fachbereichen Gestaltung und Campus Minden
Das Projekt startet mit der Forschungsphase, in der die FH-Studierenden ihre Projekte entwickeln und umsetzen. Prof. Roman Bezjak vom Fachbereich Gestaltung betreut die Fotografie-Studierenden, sie sind ebenso wie die Digital Media and Experiment-Studierenden von Prof. Florian Kühnle völlig frei in der Gestaltung ihrer Projektarbeiten. „Die Verbindung von Fotografie und Architektur ist ein altes Match. Es kann bei unseren Arbeiten um die Ästhetik der Gebäude gehen, um die Geschichte des Geländes und die Einbeziehung alter Aufnahmen oder auch um Übergangssituationen, etwa die Beziehungen zur Nachbarschaft“, umreißt Bezjak mögliche Themen.
Die Aufgaben der Architektur-Studierenden von Prof. Dipl. Ing. Bettina Mons und Prof. Dipl. Ing. Bettina Georg sind enger gefasst. „Die einen werden Entwürfe erstellen für experimentellen Wohnungsbau in der alten Kfz-Halle, die anderen werden sich mit Analysen des Gesamtareals für die Zwischennutzung beschäftigen“, erläutert Bettina Mons, die zudem auch thematisch freie Bachelor-Arbeiten zum Gelände betreut. Mons freut sich auf den interdisziplinären Austausch im Projekt. „Die künstlerischen Interventionen bringen neue Impulse in die Prozessentwicklung und andersherum, wie eine Art Ping-Pong-Spiel.“
Input zur Vergangenheit und Zukunft des Geländes
„Die künstlerischen Interventionen bringen neue Impulse in die Prozessentwicklung und andersherum, wie eine Art Ping-Pong-Spiel.“
Architekturprofessorin Dipl. Ing. Bettina Mons zu den interdiszipinlären Möglichkeiten des Projekts
Noch wirkt das Gelände sehr verlassen, weit und leer. Ein großer gelber Pfeil auf den Pflastersteinen sticht ins Auge - er weist den Studierenden den Weg. Es geht hinein in den „Block 10“, die ehemalige Mensa der britischen Streitkräfte. Reste der Bedientheke und Küche stehen verloren herum, ansonsten ist der Raum kalt und ausgeräumt. Aber er füllt sich, mit den Studierenden und den Ideen und Konzepten der Transurban residency, die Georg Barringhaus lebendig vermittelt. Er hat sich Unterstützung für den Input mitgebracht, nicht nur vom beteiligten künstlerischen Architektenkollektiv orizzontale, sondern auch von der Stadt Bielefeld. Michael Kellersmann vom Bauamt erläutert den aktuellen Planungsstand für das Gelände und nennt auch einige pragmatische Erfordernisse für die künftige Nutzung: „Wir brauchen beispielsweise eine bestimmte Anzahl Wohneinheiten, eine Kita oder ein Stadtteilzentrum.“ Auch ansonsten ist die Stadt nicht völlig frei in ihrer Planung, da wäre noch der Denkmalschutz. Philipp Wiegers ist dafür zuständig, er weist auf die nationalsozialistischen Bauherren der Kasernen hin und erklärt, warum auch Relikte aus der NS-Zeit erhalten werden müssen: „Sie dienen als Mahnmal und dürfen nicht einfach verschwinden.“
Vor Ort Eindrücke sammeln und Ideen entwickeln
So versorgt mit Hintergrundinformationen machen sich die Studierenden auf zur Erkundung des Geländes, schreiten Wege ab, schauen durch Fenster und um Häuserecken. Genaue Vorstellungen von der Umsetzung der Aufgaben und Projekte hat noch keiner, es geht um das Sammeln von Eindrücken und die Entwicklung erster Ideen. Die riesige Kfz-Halle bietet viel Raum dafür, leer und weit wird sie von den Studierenden durchmessen, einige erklimmen alte Stahltreppen und verschaffen sich von oben ein Bild. „Wir erspüren sozusagen den Geist des Ortes”, erklärt Bettina Mons und schaut sich ebenfalls interessiert um. Ihre Studierenden werden dann am Campus Minden weiterarbeiten, während die Studierenden der Gestaltung immer wieder auf das Gelände kommen werden. „Wir brauchen ja etwas Konkretes vor der Linse“, sagt Roman Bezjak.
Ausstellung der Ergebnisse im Sommer
Die Ergebnisse werden schließlich im Sommer in einer „raumgreifenden, interaktiven und dynamischen Ausstellung“, dem sogenannten Prozessraum, präsentiert. Parallel dazu entstehen im Austausch mit den Forschenden mobile Architekturen und temporäre Installationen, mit denen orrizontale seine Auffassung von Stadt als lebendigem Raum ortsspezifisch umsetzen wird. Flankiert wird die Ausstellung von einem vielfältigen Kulturprogramm für die Bielefelder und einem diskursiven Rahmenprogramm, in dem die Zwischennutzung des Areals vertieft diskutiert und der Modellcharakter des Rochdale-Geländes für andere dieser sogenannten Konversionsflächen in der Region ausgelotet wird. (uh)
TRANSURBAN Residency 2022
Inmitten urbaner Landschaften initiiert TRANSURBAN Foren für Austausch, städteübergreifende Diskurse und künstlerische Verhandlungen öffentlicher Räume. 2021 startet die Residenz im Ruhrgebiet mit den Projektstädten Gelsenkirchen und Dortmund. 2022 geht es nach Ostwestfalen-Lippe mit dem Projektstandort der Rochdale Barracks in Bielefeld. In ihrem zweiten Programmjahr schafft die TRANSURBAN Residency Übergänge: von einer ehemaligen Kaserne hinein in die Zwischennutzung, über den Stacheldraht hinweg hinein in den Stadtraum von einem Nicht-Ort zu einem urbanen Lebensraum. Hier wird Stadt und deren Entwicklung künstlerisch verhandelt, denn auf dem Kasernengelände entsteht in naher Zukunft ein neues Quartier.