Studierende von HSBI und Texas A&M University bauen Hochfrequenzverstärker
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An der HSBI kann man internationale Teamarbeit bereits während des Studiums erproben: Studierende im Bachelorstudiengang Elektrotechnik haben erstmals eine reguläre Studienarbeit zusammen mit Studierenden der Texas A&M University erstellt. Herausgekommen ist ein 433 MHz-Verstärker. Die Kooperation war so erfolgreich, dass das Angebot nun fortgeführt werden soll.
Bielefeld (hsbi). Wo seine Studierenden später arbeiten werden, weiß er noch nicht. Aber wie: „Ob bei einem ostwestfälischen Landmaschinenbauer oder in einem US-amerikanischen High-Tech-Unternehmen – Elektrotechnik-Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten in internationalen Teams über Ländergrenzen hinweg“, sagt Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Schultheis, der im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Hochschule Bielefeld (HSBI) neben seiner Tätigkeit als Studiengangleiter des Studiengangs Elektrotechnik für die Lehrgebiete Kommunikationstechnik und Grundlagen der Elektrotechnik zuständig ist. Warum also mit der internationalen Teamarbeit wie üblich bis zum Praktikum oder gar bis zum Berufseinstieg warten? Schultheis wollte im Bachelorstudiengang Elektrotechnik schon früher ansetzen, nämlich bei der für das Studium obligatorischen Studienarbeit des 5. Semesters. Schultheis: „Hier können die Studierenden sozusagen im geschützten Rahmen üben und müssen nicht gleich in der Wirtschaft ins kalte Wasser springen.“
Campus-OWL-Büro in New York stellt die Verbindung her
Mit seiner Initiative liegt Rüdiger Schultheis ganz auf Linie der HSBI. Denn Internationalisierung gehört neben Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu den drei strategischen Querschnittsthemen der Hochschule. Der Professor machte sich also auf die Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner – und hatte dabei ziemlich konkrete Vorstellungen: „Für die Elektrotechnik spielt die Musik in den USA, siehe Tesla, Apple, Microsoft oder Intel. Leider hatten wir dort kaum Kontakte für unsere Studierenden.“ Bis Dr. Katja Simons, Leiterin des Campus OWL Verbindungsbüros in New York, den entscheidenden Hinweis gab und Schultheis mit Stavros Kalafatis zusammenfand. Kalafatis lehrt als Professor an der Texas Agriculture & Mechanical University, kurz TAMU, in der Nähe von Houston Elektro- und Computertechnik. Der US-Professor ist kooperationserfahren mit deutschen Hochschulen und war gleich überzeugt von Schultheis‘ Vorschlag einer studentischen Zusammenarbeit.
Die beiden Professoren konzipierten sodann ein Projekt, das sich in die Studiengänge auf beiden Seiten integrieren ließ: den Bau von Hochfrequenz-Leistungsverstärkern für das ISM-Band. ISM steht für „Industrial, Scientific and Medical“ und als Band für Frequenzbereiche, in denen Hochfrequenz-Signale von jedermann gesendet werden dürfen. „Hier gibt es eine Vielzahl von Anwendungen wie Garagentoröffner, Funkthermometer oder Handfunkgeräte“, erläutert Rüdiger Schultheis. Die Studierenden erstellen die Verstärker mit Platinen (oder PCBs für Printed Circuit Boards), auf die sie winzige Transistoren und andere Bauelemente setzen, um den vorgegebenen Frequenzbereich zu erreichen: 433 MHz.
PCBs werden hausintern designed, hergestellt, bestückt und vermessen
„Es ist eine reine Entwicklungsaufgabe, mit der wir die Studierenden in komplexe Aufgaben der elektronischen Hochfrequenzschaltungstechnik und der Halbleiterelektronik einarbeiten“, sagt Schultheis. „Die so entstandenen Verstärker sind hier noch alle diskret, also mit einzelnen Bauelementen, aufgebaut, denn so lässt sich der Zugang zu den einzelnen elektronischen Bauteilen besser vermitteln. Der Schritt zu einem integrierten Schaltkreis und damit zu dem Entwurf integrierter Schaltungen, wie sie als Halbleiterchips heutzutage in elektronischen Geräten jedweder Art verbaut werden, ist dann ein nicht mehr so großer.“ Mit der Chipverknappung während der Pandemie seien Halbleiterchips jüngst auch ein sehr relevantes politisches Thema in Europa geworden, ergänzt Schultheis.
Mehr noch als die fachliche Thematik hat die internationale Kooperation bei Tobias Kastrup einen Nerv getroffen: „Es ist ein tolles Privileg, das ich unbedingt nutzen wollte, jetzt schon während des Studiums international zu arbeiten. Das Thema war für mich dabei sogar eher zweitrangig“, gibt der Bachelor-Student der Elektrotechnik unumwunden zu. Dass die Abstimmung im Team über Ländergrenzen, Zeitzonen und Sprachbarrieren hinweg aufwändiger ist als eine herkömmliche Studienarbeit, nahm Kastrup dabei gerne in Kauf: „Nach dem Studium würde ich gerne in internationalen Unternehmen arbeiten. Da lohnt es sich, andere Arbeitsweisen und Arbeitskulturen frühzeitig kennenzulernen und den eigenen Umgang damit zu finden.“
Simulation in den USA, Aufbau und Tests in Deutschland
Das texanisch-ostwestfälische Team hatte seine Kompetenzen schnell sinnvoll aufgeteilt. An der TAMU entwarfen Max Lesser, Firas Ghanem und Kiet Pham am Computer Simulationen des Verstärkers. Mit den ermittelten Daten frästen Tobias Kastrup und Daniel Henn im Labor von Schulheis‘ Bielefelder Kollegen Prof. Dr. Dirk Zielke vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik die Platinen, versahen sie mit den Bauelementen und testeten sie mit den entsprechenden Messgeräten im gut ausgestatteten Hochfrequenzelektronik-Labor von Prof. Schultheis . Mit gut vorbereiteten digitalen Meetings war die Entfernung fast kein Thema mehr, erzählt Tobias Kastrup. Aber immer ließen sich die Zeitzonen nicht so einfach überwinden. „Wenn es zwischendurch mal eine konkrete Frage gab, musste man auf die Antwort einen Tag warten: Entweder schliefen die einen oder die anderen. Das war schon eine Herausforderung.“ Und sprachlich? Für Kastrup ist Englisch kein Problem, im Gegenteil: „Es ist eine tolle Sprache, die die Menschen verbindet.“ Und Prof. Schultheis ergänzt: „Vor allem die Forschungsliteratur ist ohnehin auf Englisch, daran müssen sich die Studierenden möglichst früh gewöhnen.“
Außerdem hatte das Team mit der Elektrotechnik so etwas wie eine gemeinsame Sprache. Das zeigte sich besonders beim Besuch des texanischen Teams in Bielefeld. Zwei Tage lang waren die Studierenden zu Gast an der HSBI, zwei Tage lang konnten sie selbst im Labor nachbauen und überprüfen, was sie an der TAMU am Rechner nur simuliert hatten. „Es ist toll, sich nach zahlreichen digitalen Treffen nun auch persönlich zu treffen und miteinander zu arbeiten“, sagt US-Student Kiet Pham. Während des Besuches zog sich das deutsch-amerikanische Team ins Labor zurück, steckte vor dem Computer die Köpfe zusammen, diskutierte die Simulationen und Messergebnisse, setzte unter dem Vergrößerungsglas vorsichtig die winzigen Bauelemente auf die Platine, maßen nochmals, warten – bis es endlich hieß: „433!“ Prof. Dr. Rüdiger Schultheis freut sich über die gelungene Kooperation und plant, die Zusammenarbeit im kommenden Wintersemester fortzusetzen: „Interessierte Studierende können sich gerne jetzt schon bei mir melden!“ (uh)