Jahrzehntelang unberührt lagen in einer Holzkiste rund 3.800 Negative aus der Zeit von etwa 1932 bis 1936/37. Sie stammen aus der Rolleiflex-Kamera des späteren Kunstsammlers und -händlers Friedrich Hülsmann, Stifter des nach ihm benannten Museums in Bielefeld.
Hülsmann lebte damals mit seiner Frau Gertrud in Hamburg und arbeitete als Werbeleiter für die Hansa Mühle AG. In der Freizeit unternahm das Ehepaar Ausflüge in die landschaftliche Umgebung Hamburgs ebenso wie in die damals noch erhaltenen historischen Stadtkerne des Deutschen Reichs. Mehrtätige Reisen führten auch nach Dänemark, England und Frankreich sowie das nördliche Italien. Überall entstanden anspruchsvolle Aufnahmen, die das Alltagsleben dokumentieren und Hülsmann – rückwirkend betrachtet – zum Chronisten seiner Zeit machen. Vor allem spiegeln die Bilder seine Interessen, die er in den folgenden Jahren vertiefen sollte: Kunst- und Architekturgeschichte sowie Volkskunde. Porträts, vor allem als überraschende und authentische Momentaufnahme, stehen neben Interieurs: die feudale Repräsentation ehemaliger Schlossherren inspiriert zur eigenen Sammlung und zur Wohnraumgestaltung, deren Entwicklung Hülsmann in etlichen Bildern festhielt. Großstadtflair trifft auf dörfliche Idylle, Hafenszenarien auf kaum berührte Natur. Im assoziativen Nebeneinander nimmt das wechselvolle und widersprüchliche Lebensgefühl zwischen Weimarer Republik und Weltkrieg Gestalt an.
Die „künstlerische“ Fotografie um 1930 befand sich am Wendepunkt vom Experiment (Expressionismus und „Neues Sehen“) zur „Neuen Sachlichkeit“. Zugleich erklomm die „Amateurfotografie“ einen Höhepunkt ihrer gestalterischen Qualität.
Ergebnisse des Projekts sind eine Ausstellung unter dem Titel „Von Buxtehude bis Bergamo. Fotografien von Friedrich Hülsmann aus den 1930er Jahren“ im Museumhuelsmann (Laufzeit 24.4.-31.12.2022) und in der Galerie artists unlimited (20.-30.4.2022), eine Publikation sowie eine online-Präsentation von etwa 200 ausgewählten Motiven, einzeln kommentiert.
An der Konzeption der Ausstellung und an der Erarbeitung der medialen Kommunikation (Teaser, Trailer, Instragram) waren Studierende des Fachbereichs Gestaltung in Form eines zweisemestrigen Seminars beteiligt.